Erziehung meets Handwerk
Wenn angehende Erzieher*innen unserer Fachschule für Sozialpädagogik den Schmiedehammer schwingen und mit Winkel, Zollstock und Akkuschrauber arbeiten, dann liegt die Frage nah: „Was hat das mit der Erzieher*innen-Ausbildung zu tun?“ Der Besuch zweier Handwerksbetriebe im Rahmen des Wahlfachs „Werkzeugkasten der Erzieherin“ hat sich dabei als eine für den zukünftigen Beruf bereichernde und nachhaltige Begegnung erwiesen. Wie es dazu kam und was es dabei zu erleben gab, lesen Sie hier …
„Ihre Schützlinge sind Kinder und Jugendliche! - Unsere Schützlinge sind die unterschiedlichen Holzarten“ mit diesem Worten des Tischlermeisters Rüdiger Schmidt lässt sich die Schnittmenge bei diesem Aufeinandertreffen von Handwerkern und angehenden Erzieher/innen schon trefflich umschreiben.
Aber erst mal zurück an die Ursprünge dieses ungewöhnlichen Zusammentreffens: Siebzehn angehende Erzieherinnen und drei Erzieher an der Fachschule für Sozialpädagogik am Käthe-Kollwitz-Berufskolleg (KKS) der StädteRegion Aachen haben sich in diesem Schuljahr innerhalb ihres Wahlfachs „Werkzeugkasten der Erzieherin“ zusammengefunden, um ihre handwerklich-technischen Kompetenzen zu erweitern für ihre spätere Berufstätigkeit mit Kindern und Jugendlichen. Neben Bildungsbereichen wie Bewegung, Medien, Sprache oder Kultur spielt der technische Bereich in allen Entwicklungsphasen der Heranwachsenden eine wichtige Rolle.
So lernten die Studierenden in diesem praktisch ausgerichteten Unterricht eine ganze Menge Neues über Werkstoffe, Werkzeugen und Handwerkstechniken. Im Werkraum der KKS schufen sie aus Holz, Metall und vielen anderen Materialienvielfältige Produkte, die natürlich größtenteils einen Bezug zu den Arbeitsfeldern der Erzieherinnen hatten.
„Aber wie machen das die echten Profis?“ stellte sich die Frage, als die Gruppe gerade in der Planungsphase war, um einen mehrteiligen mobilen Barfußpfad herzustellen. Dafür waren Holzkorpusse mit Bodenplatte im Maß L/B/H = 60/50/10 cm herzustellen. Schnell war die Idee geboren, zwei Handwerksbetrieb zu erkunden.
Über den Fachlehrer Gerhard Kerpen wurden die Kontakte hergestellt zu der Tischlerei „Schofer und Schmidt“, sowie zu dem „Metallgestalter 723° - Tom Sommer“ - beide mit ihren Werkstätten in Aachen, Weststraße ansässig. Die beiden Betriebsinhaber fanden sofort Gefallen an dieser etwas ungewöhnlichen Idee, mit angehenden Erzieherinnen zwei Handwerksbetriebe zu erkunden.
Die Werkstatterkundung beim Tischler
Aufgeteilt in zwei kleine Gruppen konnten die ca. dreistündigen Erkundungen dann starten. In der Tischlerei zeigte die Auszubildende Leonie den Erzieherinnen Schritt für Schritt, wie sie einen Holzkorpus für den Barfußpfad überwiegend maschinell herstellte. Die Beobachter staunten über die Schnelligkeit und Präzision des Prozesses und es entwickelten sich spannende Fachgespräche zwischen beiden Professionen. Hier einige Zitate der Studierenden nach der Erkundung: „Mit Hilfe dieser sinnvollen, ansprechenden, tollen sowie unterstützenden Exkursion konnte ich einen Einblick in die Arbeit einer Tischlerin erhalten … vor allem wurden mir die Parallelen zwischen Handwerk und dem sozialpädagogischen Tätigkeitsfeld bewusst…“ oder „ …die Begrüßung wirkte auf mich sehr warm, freundlich und irgendwie familiär. … Rüdiger, der Chef erklärte uns, dass es zwar schneller gehen wird als bei uns, aber dies nicht daran lag, dass wir unerfahrene Strolche waren, sondern, dass Leonie bereits im dritten Lehrjahr war …“ und „…ich erinnere mich gerne daran, wie leidenschaftlich die beiden (Rüdiger und Leonie) von ihren Tätigkeiten, Aufgaben und Ergebnissen geredet haben. … Ich glaube, in dem Moment habe ich das erste Mal begriffen, wie das Wort >Berufung< aussieht“. Wie man sieht, waren alle rundum begeistert von den vielen tollen Eindrücken aus dieser Tischler-Werkstatt.
Die Werkstatterkundung bei Metallgestaltung 723°
Hier konnten die teilnehmenden Erzieherinnen selbst Hand anlegen. Tom Sommer, sein Geselle Alex und der Auszubildende Chrischan leiteten die Gruppe professionell an, selbst jeweils eine Triangel mit einem Aufhängehaken zu anzufertigen. Dabei wurde Metall gesägt, geschliffen, gebogen und sogar geschmiedet. Dazu wurde von den Erzieherinnen ebenso viel Kraft wie Mut und Präzision abverlangt, was diese mit Stolz und Bravour meisterten. Nebenbei wurden tradierte Geschlechter-Rollenklischees hier völlig über den Haufen geworfen. Die Ergebnisse begeisterten alle, was sich auch hier in den Feedbacks widerspiegelt: „Der Besuch in der Metallwerkstatt 723° war für mich eine sehr interessante Erfahrung. Deutlich zu spüren war, dass jeder einzelne Mitarbeiter mit Leib und Seele seinen Beruf ausübt und lebt.“ und: „Ich fand es gut, dass wir selbst arbeiten und ausprobieren durften.“ sowie: „Nachdem die Triangel fertig gebogen war, ging es in die Schmiede um den Haken im Feuer zu schmieden und auf dem Amboss zu formen…“
Abschließende Erkenntnis
Dieses „Crossover“ zweier gänzlich unterschiedlicher Berufsgruppen haben alle Beteiligten als äußerst bereichernd empfunden. Zudem bestätigte sich erneut, wie wichtig es ist, dass Schule sich der realen Lebenswelt ständig öffnen muss. Den Bildungsbereich „Technik“ haben die Erzieherinnen an diesem Tag hautnah erleben können - eine nachhaltige Erfahrung für alle!
Text: Gerhard Kerpen